Jan Leyk bringt sein erstes Album raus

Er ist die Personifizierung der Kontroverse. Jan Leyk, der laut seinem Wikipedia-Eintrag mit bürgerlichem Namen Joanes Leyk Martinez heißt, kann wohl durchaus als eins der auffälligsten und bekanntesten Gesichter der deutschen EDM-Szene bezeichnet werden. Der einstige Seifenoperettendarsteller provoziert, er pöbelt – und er produziert. Nachdem auch unsere Redaktion bereits die ein oder andere Internetdebatte mit dem gebürtigen Mindener ausgefochten hatte, haben wir uns ein Schweigegelübde auferlegt. Kein Leyk bei IAATM. Bis heute. 

Its All About The Music heißt unser Portal – deshalb befanden wir uns in einem Zwiespalt. Eitelkeiten und Egos gibt es viel zu viele – aber letztlich entscheidet doch nur, wie gut die Songs sind, oder? Also los gehts. Album von Jan Leyk. Szenen, ungeschönt aus der Redaktionskonferenz von Henri und Ari:

Wir haben beim Album des kontroversen Norddeutschen genau hingehört!

Mittwoch, 10.35 Uhr. Während sich Arian noch einen Pfefferminztee gönnt, startet Henri mit dem Albumreview. Und das beginnt schonmal komplett anders, als man es erwarten würde.

Mit „The Beginning“ hat sich der Hamburger weder einen Bigroom-Track, noch eine Future Bass Nummer als Intro gebastelt. Anstatt dessen tönt aus den Lautsprechern beim Abspielen des ersten Songs eine Trance-artige Produktion, die auch problemlos das Intro eines Armin van Buuren Albums sein könnte. Das beziehen wir aber nicht nur auf das Genre, sondern auch auf die Qualität des Liedes. Satte Kicks, voluminöse Synths und eine Melodie, die im Kopf bleibt: Jan Leyk überrascht schon mit dem ersten Song auf ganzer Linie. 

Mit „SOS“ kommt direkt danach die zweite Single-Auskopplung aus dem Album, die uns daher auch schon bekannt war. Extrem poppig und radiotauglich kommt die House-ähnliche Nummer mit Vocals des bislang höchstens absoluten Fachleuten bekannten Sängers Sebastian Moser daher. Genau so hatten wir das Album zuvor auch vermutet. War das Intro also nur ein kurzer Ausbruch von Nostalgie? 

Trance- oder Pop-Album oder doch was ganz Anderes? 

Nein. Der Ex-„Berlin Tag und Nacht“-Darsteller schiebt mit „Beautiful Fiction“ direkt eine Progressive House Nummer hinterher, die schon in den ersten 5 Sekunden verrät, dass sich Jan hier wohl auch extrem von Trance-Songs hat inspirieren lassen. Henri ist beim zweiten Kaffee des Tages. Arian’s Pfefferminztee ist inzwischen drei Minuten zu lang im heißen Wasser. Das Album bekommt die volle Aufmerksamkeit. Ein weitgehend gutes Zeichen.

Bemerkenswert: Obwohl Beautiful Fiction zunächst als Solo-Nummer auf der Tracklist steht, entdeckt Henri bei einem Blick in das – der CD beigelegte – Büchlein, einen durchaus bekannten Namen. Hier hat Rouven Hager mitgewirkt, der den meisten wohl eher als Cuebrick bekannt ist. An Überraschungen fehlt es „On the Move“ schonmal nicht.

Danach flacht das Album allerdings ein wenig ab. Das liegt nicht an der Qualität, die weiterhin hoch ist, und auch nicht daran, dass der Pfefferminztee von Arian schon lange über den geschmacklich hinnehmbaren Punkt hinaus ist, sondern eher daran, dass man jetzt nicht mehr sonderlich überrascht ist von der Qualität.

Wir schmunzeln, wenn man bei „H8ers“ als einzige Vocal „Fuck the haters, we run this thing!“ hört. Jan Leyk ist schließlich kein sonderlich unumstrittener Teil der Szene. Henri nickt bei der satten Bass House Nummer „Ora“ ordentlich mit. Arian googled bei „You take me under“, was das eigentlich heißt und findet – bis auf einen fast gleichnamigen Metalsong von Three Days Grace – darauf keine Antwort. Alles ganz nett, alles ganz cool…aber war es das jetzt schon?

Ein Feuerwerk zum Abschluss

Und wieder heißt die Antwort: Nein. Kurz bevor man durch „Lost in your Eyes“ in einen permanenten Kopfnickermodus verfällt, reißt „Lights Out“ den Hörer wieder zurück ins Hörerlebnis. Der Drop des Progressive House Songs ist extrem mitreißend, der Song könnte auch genau so gut eine Kollaboration zwischen Avicii und Florian Picasso sein. Es ist fast ausgeschlossen, dass der Produzent sich durch keinen der beiden für diesen Song ein bisschen inspirieren lassen hat.

Man ist mit dem namensgebenden Track „On the Move“ schon halb durch, bis „Lights Out“, bei dem übrigens wieder ein gewisser Rouven Hager mitgewirkt hat, verdaut ist. „Never the Love“, eine sehr ruhige Vocal Deep House Nummer könnte dann vom Gefühl auch eigentlich schon der letzte Song des Albums sein. 

Ist es aber zum Glück nicht. Mit „Prototype“ hat sich Jan Leyk den stärksten Song des Albums für das Ende aufgehoben. Das Lied ist ungewöhnlich, die ersten 2 Minuten hören sich tatsächlich am ehesten nach sehr modern interpretiertem Techno an. Danach setzt eine sehr pluckige Synth ein, die eine größtenteils gleichbleibende Melodie bis zum Ende durchspielt. Langweilig? Pustekuchen. Der Drop hat es dank satter Kick und ordentlich Hall auf der Synth richtig in sich. Das Rad ist zwar nicht neu erfunden, aber egal. „Prototype“ funktioniert, sowohl im Club, als auch zu Hause.

Fazit:

„On the Move“ ist als Album durchaus gelungen. Es ist kein Geniestreich, dafür hätten die 15 Songs einen klaren roten Faden oder ein klar erkennbares Thema haben müssen. Weder das eine, noch das andere konnte man erkennen. Geschenkt, denn Jan Leyks Debütalbum zeigt einem viel über das Verhältnis des Hörers zu dieser polarisierenden Figur. „On the Move“ ist am stärksten, wenn es überrascht, wenn es nicht in die Schublade passt, in die man Joanes Leyk Martinez gerne packt. Daher muss man im Endeffekt sagen: Hut ab, Chapeau Jan. Du hast uns positiv überrascht.

Henri :Kein Fitnessmodel, Veganer oder Fashionblogger. Ich mach cooles Zeug, also manchmal. Ich schwöre.