Er hat den Konzerttechno erfunden: Jan Blomqvist.
Erst vor Kurzem haben wir ihn Euch mit seinem neuen Album (wir berichteten) vorgestellt und nun haben wir Jan im Interview. Er spricht mit uns über das Gefühl des ersten Albums, was er mit Raumfahrttechnik zu tun hat, dem Gemeinschaftsgefühl einer Band und wie er zur Produktion von Musik steht.

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Gerade erst ist Dein erstes Album Remote Control erschienen. Beschreibe uns doch in einigen Worten, was Dir durch den Kopf gegangen ist, als du es das erste Mal in den Händen gehalten hast. Wie lange hast Du Dir für das Album Zeit genommen?

Den Moment gab es so noch gar nicht. Ich habe immer gedacht, dass dieser Moment mich mit Zufriedenheit oder Glück erfüllen würde. War aber gar nicht so. Ich hab es gar nicht registriert. Vielleicht auch weil ich nahtlos in die Promo Arbeit gegangen bin. Interviews, Single Versions produzieren, Fotos machen, Videos drehen etc… Jetzt grad noch die intensive Vorbereitung auf die vierwöchige Albumtour. Kaum Zeit zu reflektieren.

Ich bin sehr froh, dass dieses schöne Kapitel abgeschlossen ist und ich jetzt neue Ideen umsetzen kann, aber diesen einen „Yes I did it“ – Moment hatte ich bisher nicht. Finde ich aber auch nicht schlimm. Ich freu mich einfach viel zu sehr darauf, wieder neue Tracks anfangen zu können und etwas mehr Zeit zu haben ab Mai. Zeit ist das kostbarste Gut.

Du hast Raumfahrttechnik studiert. Wie kam es dazu?

Ich finde es immer noch immer wieder faszinierend, dass so riesige metallene, tonnenschwere Maschinen fliegen können, wenn man sie nur schnell genug anschiebt. Ich wollte einfach wissen, wie das geht. Ich dachte das wäre interessant, also habe ich es studiert. An der Uni war ich dann nicht mehr so begeistert, hab den Studiengang gewechselt zu Mathematik. Das war wirklich spannend, war aber leider nicht kombinierbar mit Techno, obwohl elektronische Musik ja theoretisch sehr viel gemeinsam hat mit Mathematik, praktisch nicht so.

Wann und warum kam der Wechsel zur Musik?

Musik war ja immer da. Ich hab immer versucht, beides zu schaffen, aber irgendwann muss man sich einfach entscheiden. Mir war irgendwann klar, dass ich zwei so große Projekte nicht gleichzeitig verwirklichen kann. Musik war eine logische Entscheidung. Als Musikproduzent muss man so viel Wissen und Technik erlernen und sich ein sehr trainiertes Gehör und ein gutes Gespür aneignen, dazu möglichst viel Studio- und Live-Erfahrungen sammeln. Man braucht viel Zeit und Geduld, viel Energie und irgendwie auch ein bisschen Punk. Das alles umzusetzen ist einfacher, wenn man jung ist. Es wäre sicher sehr schwer geworden mit 35 nach dem Studium nochmal ganz von vorne anzufangen. Ein Studium kann man aber immer in jedem Alter von vorn beginnen. Also muss man die Musik zuerst angehen. Vielleicht beginne ich das Studium ja irgendwann nochmal von vorn. Vermutlich nicht 🙂

Früher hast Du Rock gehört. Gab es einen bestimmten Moment, der Dich in die elektronische Richtung getrieben hat?

Das stimmt nur halb, weil ich habe ja schon immer elektronische Musik favorisiert. Als ich 12 war, gab es aber weder Macbooks noch Ableton oder Cubase. Zumindest hatte ich noch keinen Rechner auf dem solche Programme laufen konnten. Es war fast unmöglich sich elektronische Produktionsweisen autodidaktisch beizubringen, wenn man nicht mal Kohle für einen einzigen Synth hatte. Einen Moog, Prophet oder Juno zu bekommen war völlig utopisch, also haben wir alle auf Gitarren und Verstärker gespart und Bands gegründet. Punkrock hat einfach gerockt auf der Bühne und im Proberaum vor allem. Wir haben es dann natürlich durchaus ernst genommen mit der Band, war so semi erfolgreich. Aber vieles von dem Wissen, was ich als Teenager musikalisch verstanden habe, kann ich heute im Studio noch sehr gut gebrauchen. Das hört man meinem melodischen Frickel Sound ja auch an, denke ich. 

2004 war dann das Jahr für mich. Da habe ich wirklich mit allem aufgehört und nur noch elektronische Musik gemacht. Ich frage mich heute oft, ob das passiert ist, weil ich so jung war und man sowas halt macht in dem Alter, oder ob es einfach zu der Zeit in Berlin einfach gar nicht möglich war irgendwas anderes zu machen als Techno. 2004 gab es irgendwie so eine ganz besondere positive aufregende Stimmung in Berlin. Es gab kaum jemanden, der sich der elektronischen Musik und den Partys hier entziehen konnte. Bar25, Berghain, Weekend und etliche andere Clubs gerade aufgemacht, Watergate 1 Jahr vorher. Diese Clubs gibt es heute noch und jeder hat einen für sich typischen Stil geprägt und alle diese Clubs wurden mittlerweile europaweit kopiert. Also ich denke schon, dass 2004 irgendwas Besonderes passiert ist. Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Die ersten ernstzunehmenden Produktionen habe ich aber erst Ende 2007 hinbekommen. Der erste Live-Gig war 2008 im Tresor.

Wann hast Du mit dem Singen angefangen?

Ich kann mich nicht daran erinnern. Ich weiß nur aus Erzählungen, dass ich anscheinend schon immer gesungen habe. War sicher auch nervig für meine Eltern. Stell dir vor du bekommst ein Kind und dann singt es jeden Morgen irgendwelche Fantasie Lieder, wenn du eigentlich noch schlafen willst. Aber sie haben es sich nie anmerken lassen und immer so getan, als würden meine Lieder super klingen und gar nicht nerven, was aber ganz bestimmt nicht stimmte. Coole Eltern. 

Soweit wir wissen, produzierst Du alles komplett selbst. Analog. Eher untypisch für die heutige Zeit. Wie stehst Du generell zu der heute eher üblicheren, digitalen Variante, Musik zu produzieren?

Ist das so untypisch? Keine Ahnung. Ich schreibe die Musik selbst und produziere allein. Aber beim Recording und Mixing habe ich auch Hilfe. Mein musikalisch-technischer Synthi-Super-Nerd ist Felix Lehmann, gleichzeitig auch Pianist in meiner Band. Ich könnte natürlich auch komplett allein produzieren, aber ich arbeite gern mit Felix. Ich denke, es ist auch wichtig, dass im Studio ein gedanklicher Austausch stattfindet, sonst verliert man sich leicht.

Die Lyrics schreibe ich zusammen mit Ryan Mathiesen. Ich habe die Ideen und Visionen und Ryan ist der poetische Philosoph, der alle Textzeilen in Form bringt. Wir würden beide allein keinen einzigen Text fertig bekommen, beim Texten braucht man immer einen Gegenpol.

Die Frage nach digital oder analog muss man differenziert betrachten. Es gibt nicht die eine wahre Richtung. Manche Sounds lassen sich besser digital produzieren und manche klingen eben analog besser. Es ist wichtig, dass man beides kann und nicht auf eine Sache festgefahren ist. Über je mehr Tricks und Möglichkeiten man als Musiker verfügt, um so einfacher fällt es, die Ideen letztendlich in Töne zu verwandeln, so dass sie jeder hören kann. Ich kann die Leute, die nur digital oder nur analog produzieren überhaupt nicht verstehen. Wieso bauen die sich freiwillig Mauern auf? Musik darf man nicht einsperren in einem Entweder-Oder-Komplex.

Du bist ja nicht nur als Solo-Künstler unterwegs, sondern auch mit Deiner Band. Wie habt Ihr einander gefunden?

Meine Bandkollegen von früher aus den Punkbands waren ja nie weg. Ich hatte immer die Idee, meine Band wieder mit auf die Bühne zu holen. Irgendwann haben wir es einfach gemacht und es hat direkt super funktioniert. Mein Schlagzeuger Christian ist wie ein Drum-Computer. Dem kann ich sagen was er spielen soll und er rattert das ab wie ein Computer. Ein minibißchen weniger tight aber dafür dynamischer. Mein Pianist Felix war ja eh immer irgendwie mit involviert in meine Produktionen. Seit einem halben Jahr teilen wir uns auch ein Studio. 

Was war der schönste Moment, den Ihr als Band zusammen hattet?

Die ersten gemeinsamen Konzerte in Südamerika waren schon sehr cool. Es macht einfach mehr Spass mit den Jungs zu reisen als allein unterwegs zu sein. Musikalisch gesehen war es ziemlich eindrucksvoll als wir 2014 an einem Freitagmittag die Fusion Mainstage eröffnen durften. Das Spannende war, dass absolut niemand dort war als wir anfingen, aber schon beim zweiten Track war die ganze Turmbühne so voll mit Leuten, dass wir kein Ende mehr sehen konnten.

Mich erfüllt es komischerweise immer, wenn total stressige Situationen, die eigentlich gar nicht zu bewältigen sind, dann auf der Bühne trotzdem klappen mit der Band, einfach weil wir so eingespielt sind. Der Soundcheck beim Balaton Sound Festival: Alles Equipment aufbauen plus Line-Check machen, was sonst mindestens eine Stunde dauert, mussten wir dort in 15 Minuten schaffen und dann direkt spielen und trotzdem hat alles fehlerlos geklappt, obwohl wir die Nacht vorher nicht geschlafen hatten. Keine Ahnung warum, aber das rockt. Adrenalin. Ist bestimmt so ähnlich wie Fallschirm springen.

„It’s All About The Music“ bedeutet für Dich… ?

Musik ist die älteste Sprache der Menschheit. Von allen Dingen, die nicht überlebenswichtig sind, ist Musik das einzige, auf das man so gut wie nicht verzichten kann. Es gibt wenig, das noch wertvoller ist. Ich würde sie schwer vermissen, wäre sie nicht mehr da.

Vielen Dank für das Interview, Jan!

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